Nachbericht Full Force 2022 - Die Rückkehr in den Schmelztigel

Endlich geht es wieder los, 2022 soll DAS Jahr der Musikfestivals werden! Wir waren für euch beim Full Force Festival und haben uns persönlich umgeschaut, ob noch alles beim Alten ist. Wie bei den letzten Malen zog es im Juni wieder tausende Hardcore und Metalfans nach Ferropolis nahe Leipzig. Auf vier Bühnen gab es diesmal 3 Tage lang deftig was auf die Ohren. Lest weiter um herauszufinden, ob es sich gelohnt hat und was es Neues gibt.

Unsere Bilder zum Full Force 2022 findet ihr hier.

Jetzt war es endlich soweit, nach drei Jahren Pause das erste Festival in der Zeit post-Corona, oder eher „mit Corona“? Egal, wer darüber zu viel nachdenkt braucht gerade nicht auf Musikevents zu gehen. Die fast überschwängliche Freude überwiegt und nach den ersten paar Bier sind die 20.000 Metalfreunde vor der Bühne so wie früher: Stimmungsmacher die einfach nur Spaß haben wollen.

Alles kam einem sehr vertraut vor: die riesigen und eindrucksvollen Tagebaumaschinen des „most metal place on earth“, die Fressmeile und die gut frequentierten Badestellen sind nur einige Beispiele was alles fast schon nostalgische Gefühle ausgelöst hat. Ganze VIER Bühnen hat man dieses Jahr bespielt, das ist eine kleine clubähnliche Stage zusätzlich zur Seebühne, der klassischen Hardbowl mit Zeltdach und der Mad Max Hauptbühne. Die Hardbowl hatte außerdem keine Zeltwände, nur ein Dach. Die Belüftung war dadurch top und es tropfte diesmal nicht von der Decke wie in den vergangenen Jahren. Lediglich die Laufwege zwischen Hardbowl und Seebühne waren relativ lang, was es manchmal schwer machte pünktlich zu sein.

Die Vielzahl an Bühnen ließ auf ein massives Line-up hoffen, was jedoch leider ausblieb. Später wurde dann klar, dass man bei den Nächten etwas abgespeckt hat: keine Knüppelnacht und kein Saturday Night Fever mehr, dafür nach den Headlinern DJs mit Party aus der Konserve. Aber sind wir mal ehrlich, bis in die tiefe Nacht haben es nur die wenigsten geschafft, für uns deshalb kein Beinbruch. Für die Nachteulen gab es trotzdem was zu feiern, nur fehlte es etwas an entsprechenden speziellen Bands im Line-up.

Donnerstags ging es bereits los mit einer More Core WarmUp Party im Hard Bowl um die hartgesottenen Early Birds zu versorgen. Wie letztes Mal haben die Bands am Freitag dann die ersten harten Töne angeschlagen. Any Given Day und Gutalax waren die ersten Kracher nach der Eröffnung des Geländes, aber so richtig warm wurde uns erst bei Comeback Kid. Die Energie war nicht nur auf der Bühne spürbar. Neck Deep haben sich schon selbst als softeste Band im Line-Up betitelt und das stimmte wohl auch. Für viele wohl nicht hart genug, wurde es vor der Hauptbühne nicht ganz so voll. Vielleicht war es nicht die richtige Bühne auf dem Force, aber Abwechslung haben die Briten auf jeden Fall reingebracht. Am frühen Abend standen blöderweise dann Landmvrks und Suicide Silence gleichzeitig auf den Brettern. Die noch jungen Franzosen haben dem Hardbowl richtig eingeheizt, erstaunlich viele Fans waren sichtlich von den harten aber melodischen Klängen sehr verzückt. Schneller Cut zur Seebühne, wo die Death-Metal-Welle heftig geritten wurde. Eddie souverän wie immer mit deftigen Gitarrensound im Gepäck. Als Headliner schlugen dann die coolen Jungs von Bullet for my Valentine am ersten Festivaltag in die Klampfen. Zum ersten Mal hatte man wirklich das Gefühl, dass ordentlich was auf dem Festivalgelände los ist, was wohl daran lag, dass sich die Massen vor den vier Bühnen tagsüber gut verteilt haben. Der Auftritt war solide, aber nicht mitreißend genug. Die geringe Agilität auf der Bühne musste hinter den vielen Bemühungen cool auszusehen anstehen, was sich nach der Hälfte der Show leider etwas abgenutzt hatte. Über die Musik konnte man sich jedoch nicht beschweren, und die Zuschauermassen haben das bestätigt.

Wie schon am Freitag kündigte sich der Samstag als tropisch warm an. Die meisten Besucher besetzten jeden Zentimeter Schatten den sie finden konnten. Selbst am späten Nachmittag haben die meisten noch im eigenen Saft gebraten. Der seichte Sprühnebel neben den Fressbuden war zwar super, aber bei den Temperaturen hätten sich einige Besucher bestimmt über eine größere Abkühlung gefreut. In den letzten Jahren standen bei den Temperaturen gerne mal Securities mit Wasserschläuchen bereit. Generell waren die Securities zum Großteil sehr hilfsbereit und gut organisiert. Auch die Crowdsurfer wurden nach unseren Beobachtungen gut entgegengenommen, was früher nicht immer der Fall war.

Die Emil Bulls haben für uns am späten Samstagnachmittag die Party gestartet und wie immer haben die Jungs aus München fett abgeliefert. So ging es auch weiter mit Bleed from Within und Kvelertak, die beide eine energiegeladene Show abgeliefert haben, trotz der noch hohen Temperaturen. Mit Frog Leap stand dann eine große Überraschung auf der Bühne. Youtuber Leo hatte sichtlich Spaß an seinem Auftritt und die Menge geht voll mit. Das war einfach nur eine fette Party bei der jeder mitsingen konnte, ob Ghostbusters oder Pokemon. Beartooth hatten wie gewöhnlich einen hohen Prozentsatz weiblicher Fans im Schlepptau. Von mitreißenden Gesangspassagen bis hin zum eindrucksvollen Drumsolo hat sich die Band ordentlich feiern lassen, zurecht. Danach fieberten wir der einzigen deutschen Show von The Ghost Inside entgegen, der Headliner für Samstag. Als der Vorhang vor der Band fiel und Avalanche angestimmt wurde, war das für viele ein emotionaler Moment. Seit 7 Jahren war es für die Band das erste Mal auf einer deutschen Bühne, nach ihrem schrecklichen Unfall im November 2015. Dass den Jungs teilweile Gliedmaßen amputiert werden mussten konnte man bei der fetten Show überhaupt nicht merken. Die Truppe aus Los Angeles hat zusammen mit einer riesigen Fanbase die Mainstage komplett abgerissen. Die Setlist war perfekt abgestimmt, Klassiker wie Engine 45, Dear Youth und Dark Horse haben zusammen mit neuen Songs wie Aftermath und Pressure Point eine perfekte Zeitreise durch die Diskografie ergeben. Auch ein paar Worte über den Unfall hat man verloren und es steht wohl nächstes Jahr eine größere Tour mit einer neuen CD an. Wir sind definitiv gespannt! Als Abschluss gab es noch ein kleines Feuerwerk.

Eine wichtige Neuerung war dieses Jahr das Cashless-System. Die Bezahlung lief komplett über einen QR-Code am Armbändchen, welches auf den persönlichen Account verwies. Diesen konnte man vor Ort oder jederzeit im Internet aufladen. Aufladen ging ohne Probleme, aber der aktuelle Kontostand wurde in der App leider nie korrekt angezeigt. Selbst nach dem Festival kann man seine Transaktionshistorie nicht nachvollziehen. Man konnte vor der Getränkebestellung nach dem Kontostand fragen, da die Terminals zur Abfrage auch nur bedingt funktionierten. Blöd ist das Ganze vor allem wenn eine Servicekraft falsch abbucht und wie bei uns zusätzlich zum Bier 5 Cola abgezogen werden. Wir trinken in der Hitze bestimmt keine 5 Cola, wenn wir stattdessen Bier haben können. Der Help Desk vor dem Eingang war da nur wenig hilfreich. Nach viel Rennerei waren die 5 Cola zum Glück zurückgebucht. Bei der Pfandrückgabe wird das Geld dann wieder auf das Konto aufgebucht. Leider gab es auch da Probleme. Das man nur so viel Pfand zurückgeben kann wie man gekauft hat ist ja okay, aber dass die Pfandrückgabe dann irgendwann komplett blockiert ist, war dann schon tierisch nervig. Trotz zwei frisch gekauften Bier konnten wir das Pfand danach nicht zurückgeben. Außerdem berichteten uns Servicekräfte von Ausfällen des gesamten Zahlungssystems, was zum Glück an uns vorbei ging. Nach dem Festival lässt man sich den Restbetrag einfach direkt mit der gewünschten Zahlungsmethode zurückbuchen, das lief komplett zum Glück problemlos. Alles in Allem ein guter Ansatz, an der Ausführung sollte bis nächstes Jahr aber noch gearbeitet werden.

Der Sonntag versprach auch nochmal Urlaubsfeeling mit warmen Temperaturen und reichlich guter Musik. Silverstein haben eine echt saubere Performance hingelegt, die alten Hasen wissen einfach wie es geht. Trotz Bullenhitze haben die Kanadier schon ordentlich Publikum angezogen, das richtig abgeht. Wir zerfließen beeindruckt im Schatten dahin. Ein bisschen frischen Wind hat Blood Youth dann auf die Seebühne gebracht, zumindest musikalisch. Denn Frontmann Harry hat zurecht über seine Dummheit geschimpft, bei dem Wetter in Stiefeln und langer Hose auf die Bühne zu gehen. Die Show war trotzdem klasse. Alte Bekannte standen dann wieder auf der Hauptbühne, von Bury Tomorrow hat mittlerweile sicher jeder gehört. Auch die Jungs aus Southampton wissen was die Fans hören wollen und lieferten konsequent ab. Eine saubere und energiegeladene Show. Auch Boysetsfire sind alles andere als Newcomer und haben die Mainstage souverän gerockt. Die passenden politischen Einwürfe zwischen den Songs durften natürlich nicht fehlen. Am besten erinnern wir uns an das Credo „Just don’t be a dick!“, worauf der Klassiker Empire angestimmt wurde. Wie immer eine super Show. Danach lauschten wir Nergals Nebenprojekt Me and That Man vom Schatten aus. Was auf Platte nicht so richtig zünden wollte, hat sich live gar nicht schlecht angehört. Beim nächsten Mal lohnt es sich sicher eine aktivere Teilnahme.

Nachdem wir im Schatten Energie sammeln konnten, ging es zu Stick to Your Guns ordentlich ab. Die Hardcore-Ikonen ballerten ihre Hits nur so von der Bühne, Against them All, Amber, aber auch neue Songs waren im Gepäck. Die Show konnte nur von den berühmt berüchtigten Anti-Flag getoppt werden. Wie Flummis hüpften die auf der Harbowl-Bühne von der einen zur anderen Ecke. Posend und springend, shoutend und singend, die Fans lieben diese Art von Auftritten. Der komplette Gegenpol zu Bullet for my Valentine. Auch sei hier noch angemerkt, dass die Bands selten ihre Zeitslots ausgefüllt haben. Teilweise hörten sie 10 Minuten oder noch früher auf, was uns manchmal etwas enttäuscht hat. Als Abschluss des Festivals hat man die Lokalhelden Heaven Shall Burn angekarrt. Nichts neues für den routinierten Full Force Fan, aber immer wieder gut abzufeiern. Egal ob Endzeit, Hunters will be Hunted oder Voice of the Voiceless, der Sound war spitzenklasse und die schon müden Festivalbesucher gaben nochmal alles! Lediglich die Ansagen zwischen den Songs dauerten ein wenig zu lange und erschienen etwas unvorbereitet. Da haben wir schon professionellere Auftritte von den Thüringer Jungs gesehen. Nichtsdestotrotz, die Show war ein fetter Abschluss des diesjährigen Full Force Festival und ein würdiger Neustart nach der langen Pause. Für Impressionen aus diesem Jahr können wir euch das offizielle Festival Recap empfehlen. Wir freuen uns auf nächstes Jahr!

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