Nachbericht Full Force 2019 – 3 Tage im Schmelztiegel

Von 28. bis 30. Juni sind tausende Metalfans zum dritten Mal in die Stadt aus Eisen hinabgestiegen, um mit full force zu feiern. Mit neuem Namen, sollte das Full Force nun eine neue Ausrichtung erhalten. Dafür ist man wieder auf die Festivaltage Freitag bis Samstag zurückgegangen. Ein neuer Veranstalter hat das Ganze übernommen: Goodlive, die bereits seit Jahren in Ferropolis das Melt Festival veranstalten. Wie die ganzen Veränderungen zu spüren waren und die musikalischen Highlights verraten wir euch exklusiv in unserem Festivalreport.

[Update] Hier geht es zu unserer Bildergalerie.

 

Dass man die bekannte Nummerierung und den Namen des Full Force nach dem 25. Geburtstag nicht mehr fortsetzt, hat mit Sicherheit viele Gründe, aber offiziell handelt es sich um eine Neuausrichtung. Die Präposition „with“ ist weggefallen und man fuhr dieses Jahr deshalb zum Full Force 2019. Der Veranstalter kennt sich in Ferropolis seit Jahren durch das Melt hervorragend aus. Trotzdem hat man für das Force ein eigenes Bühnenkonzept vorgelegt. Die Hauptbühne Mad Max ist wie beim Melt breiter und ausladend positioniert, genügend Platz für viele Zuschauer bei den Headlinern. Das im Jahr zuvor daneben befindliche Hardbowl wurde oberhalb der Stufen positioniert. Soweit so gut, aber leider waren nur zwei Seiten geöffnet und nicht drei wie üblicherweise, weshalb es auch mal recht voll und stickig werden konnte. Die dritte Bühne „Medusa Stage“ hat man dieses Mal an den See hinter die Hauptbühne verfrachtet. Das mag für die Veranstalter angenehmer sein, die Besucher aber haben nicht nur weitere Laufwege, sondern am Strand auch ständig Sand in den Schuhen. Wer die letzten Jahre vor der Metal Hammer Stage tanzen wollte, der weiß wie gut das funktioniert. Dafür hat man der Medusa Stage ordentlich Platz spendiert und fetten Sound gabs damit auf allen Bühnen wie in keinem Jahr zuvor.

Bereits am Freitagnachmittag hat man mit einigen Newcomern der letzten Jahre ein fettes Programm aufgefahren. Unter anderem die Australier von Polaris oder aber mit dem Comeback von Bleeding Through, die damals schon in Roitzschjora gespielt haben. So richtig ab ging es dann zu While She Sleeps, die nicht nur im kleinen Club ordentlich einheizen, sondern auch die Crowd auf dem heißen Asphalt vor der Mainstage zum Hüftenschubsen bekommen haben. Weil Behemoth auf Höllenfeuer stehen, durften die Polen auch wieder die Sonne zum Untergang mit ihrem Flammenmeer vertreiben.

Danach stand Amity Affliction auf den Hardbowl-Brettern. So richtig hat die Stimmung aber nicht übergegriffen. Recht zaghaft zeigten sich die erfahrenen Metalcoreler, obwohl es nicht ihr erstes Full Force war. Mittelgroße Clubs sind wahrscheinlich ein besseres Terrain für die Australier. Als großes Finale wurde eine weitere australische Band eingeflogen: Parkway Drive! Aber waren die Veteranen nicht erst letztes Jahr in Ferropolis? Ja, die Erinnerung trügt nicht, das Déjà-vu ist Wirklichkeit. Man stellt allen Ernstes zwei Mal in Folge den gleichen Headliner auf die Main Stage. Was Vorweg zum Kopfschütteln unmusikalischer Natur geführt hat, ging dann aber doch wieder in rhythmisches Schütteln des Haupthaars über. Die Jungs haben wieder einmal einen Abriss sondergleichen auf die Beine gestellt. Die meisten Zuschauer des ganzen Festivals, massiv viele Crowdsurfer die dieses Menschenmeer ausgenutzt haben und Feuer. Viel Feuer! Als kleines Schmankerl gab es diesmal nicht das rotierende Schlagzeug, sondern vier Streicherinnen, die einem kleinen Set einen besonderen Anstrich verpasst haben. Weniger Show, mehr Musik – sehr lobenswert! Trotzdem bitte nächstes Jahr ein bisschen mehr Varianz bei den Headlinern. In drei Jahren dürfen Parkway Drive gerne wieder antreten.

Am zweiten Tag gab es eine bunte Mischung auf die Ohren. Die Japaner von Crystal Lake konnten kurz nach drei Uhr schon die Hardbowl komplett füllen, sehr beachtlich und unterstreicht ihren steilen Aufstieg der Band. Wer Bock auf die Jungs hat, kann sie bei der Impericon Never Say Die Tour übrigens als Headliner sehen. Eine ganz andere Richtung schlagen Harakiri for the Sky ein, die ihren Post-Rock mit Black Metal-Elementen ausgeschmückt haben. Das Publikum lauschte bedächtig den Klängen, viel Bewegung war bei den Österreichern nicht zu erwarten. Die pralle Sonne und der Sand unter den Füßen bildeten eine schwierige Kombination. Infected Rain hatten danach auf der Medusa Stage technische Probleme mit dem schnurlosen Mikro der Sängerin. Die lies dann Tontechniker Simon mehrfach antreten, der letztlich ganz oldschool ein Kabelmikro vorbeibrachte. Trotz der Komplikationen hat die Frontfrau Lena Scissorhands den Kontakt zum Publikum gehalten und einige neue Infizierte zurückgelassen.

Bei der Verpflegung hat sich nicht viel getan, die Essenstände führten in etwa die gleichen Gerichte. Ein paar zusätzliche Zelte waren aufgestellt, die dann beispielsweise auch Burritos anboten. Neben Bier war natürlich die Erdbeerbowle ein Highlight für viele Besucher. Das offizielle Band Merch war leider sehr begrenzt. Nicht einmal die Hälfte der Bands die an dem jeweiligen Tag spielten hatten Merch verfügbar. Die anderen Stände mit Bekleidung aller Art wurden dagegen auf den Campground verlegt. Dort befand sich auch das erstmals stattfindende [Fair]opolis als Ort der „Kreativität, Nachhaltigkeit und ein Rücksichtsvolles miteinander“, wie es der Veranstalter beschreibt. Dort fanden täglich Workshops statt und man konnte sich eine Menge Infos verschiedenster wohltätiger Organisationen einholen. Ein Festivalerlebnis der anderen Art, das wir nächstes Jahr gerne wiedersehen würden.

 

Knorkator hatten wieder mächtig Spaß auf der Bühne. Souverän wie immer trällerten Alf Ator und Stumpen mit ihren opernhausreifen Stimmen durch ihre Klassiker. Dabei hatten sie dieses Mal ein Youtuber-Duo namens „Dummesaulol“ dabei, dass zwischen den Songs ein paar Jackass-Lite-Einlagen lieferte. Zähneputzen, pullern, ab ins Bett! Aber halt! Niemand sollte sich von Knorkator ins Bett schicken lassen, wenn Arch Enemy noch die Hauptbühne abreißen! Fetter Sound, professionell wie eh und je, so kennen wir Schweden/Kanadier-Kombo seit Jahren vom With Full Force. Dieses Mal durften sie sogar headlinen und haben ordentlich eingeheizt, weil die sommerlichen Temperaturen tagsüber noch nicht genug waren, sogar mit echten Flammen.

Tag drei bot allen Musikfans ein Sahara-ähnliches Klima. Drinks, gute Unterhaltung und sogar ein See zum Abkühlen – Full Force als perfekter Sommerurlaub! Die meisten Besucher die sich aus ihrem Camp gewagt haben, suchten sich eher ein schattiges Plätzchen anstatt das Tanzbein in der prallen Sonne zu schwingen. Mit Ignite, Gutalax, Whitechapel und weiteren Bands verschiedener Genres, wurde wieder ein sehr abwechslungsreiches Programm geboten. Insgesamt war es aber der Tag an dem das wenigste auf dem Infield los war, was mit Sicherheit nicht an den Bands lag, sondern an der teilweise wirklich unerträglich drückenden Hitze. Erst als die Sonne sich langsam verabschiedete krochen die Metalheads wieder aus ihren Camps hervor. Ein Highlight des Abends waren Lamb of God, die mal wieder ihre besten Songs von der Bühne schmetterten. „Laid to rest“ war dann auch das Motto vom Tagesheadliner Limp Bizkit, die von vornherein schon als exotischste Band des Festivals ausgemacht werden konnten. Natürlich haben Fred und Co alle Klassiker gespielt die sich die kleinen Teenager in den Metallern gewünscht haben. Wenn Limp Bizkit mal gespielt hat, hat auch alles gestimmt: Sound, Stimmung, Licht – perfekt! Wären da nicht die sinnlosen langen Pausen zwischen den Songs in denen er auch gerne mal Fragen stellte wie „Wer ist aus Deutschland?“, „Und wer ist aus Russland?“ oder „Wer muss morgen arbeiten?“. Oder wenn Fred sich auf die Bühne kauert und einfach nichts passiert, fragen sich die Zuschauer ob das jetzt nicht besser mit einem Song gefüllt werden könnte. Alles in allem ein guter Auftritt, der mehr Musik und weniger Pausen hätte vertragen können.

Wir hatten ein spitzen Full Force Festival 2019. So viel anders als die letzten Jahre war es dann doch nicht und das war in vielen Punkten auch gut so. Wir wünschen uns für nächstes Jahr wieder ein paar frische Bands und ein paar kleinere Verbesserungen an der Organisation.

Wer noch ein paar der Auftritte nachholen will, kann das bei Arte tun: https://www.arte.tv/de/videos/RC-016266/full-force-festival/

Als Zusammenfassung des Festivals hat der Veranstalter außerdem bereits das offizielle Aftermovie veröffentlicht. https://youtu.be/wDhH6yO3pQc

 

Wir freuen uns auf ein noch fetteres Full Force 2020! Der Vorverkauf startet am 2. September!

(cd)