Wacken 2015: Ein Festivalbericht oder doch eher ein Wetterbericht

Das Wetter war bis Donnerstagnacht der Headliner auf dem WOA 2015. Danach haben wir auch Stimmen vernommen, die über Legenden wie Rob Zombie und Judas Priest sprachen.

 

Die Anreise und der Aufbau des Lagers gestalteten sich in diesem Sommer für die Festivalbesucher abenteuerlich und so hat bestimmt jeder Camper seine ganz eigene Geschichte zu erzählen. Während wir das Glück hatten am Montag durch den Matsch geschoben zu werden und dann dreckig, aber glücklich auf dem Campground zu landen, war ab Dienstag der Schlamm in der Übermacht, so dass das Befahren des Geländes nicht mehr möglich war. Über die „Wacken App“ erreichten uns regelmäßig Informationen über den Zustand der Koppeln und die Empfehlung, die Autos in Parkhäusern unterzubringen. Auch wenn von dort aus Shuttle angeboten wurden, hatten wir großes Mitleid mit den Anreisenden, die fleißig ihre Bierdosen (und etwas Campingkram) durch den Regen schleppten.

Ab und zu waren dennoch mutige Fahrer zu beobachten, die sich und ihr Auto durch die knietiefe Pampe bewegen wollten. Hierbei hatten sie die Wahl zwischen drei Szenarien:

  1. Sie stecken fest, fest , fest und die durchdrehenden Reifen katapultieren sie den Dreck in die Höhe.
  2. Sie rutschen seitlich die Böschung runter und stecken fest, fest, fest.
  3. Kräftige MetallerInnen schieben das Auto, wie auf einer Eisfläche und ohne Zutun des Motors, nach rechts und links (360 Grad Drehungen auf der Stelle sind bei diesem Bodenverhältnis übrigens ein Kinderspiel) hin zu dem gewünschten Ort.

Soweit so witzig und mit Unterstützung der Meute gut zu überstehen. Der Dauerregen hatte aber dann doch den Nachteil, dass die Camps viel mehr unter sich (und vor allem unter den Pavillons) geblieben sind, als dies bei Sonnenschein der Fall wäre. Frei nach dem Motto: Jeder überlebt für sich. So war es Montag und Dienstag vergleichsweise ruhig auf dem Campingplatz, die Straßen frei und die Bändchenausgabe ganz ohne Wartezeit zu erreichen. Das rächte sich allerdings für die Anreisenden am Mittwoch und Donnerstag. Trotz Dauerregen und dem nicht mehr abfließenden Wasser schlängelten sich die Masse über den ganzen Vorplatz bis in die späte Nacht hinein.

Für die härtesten unter den Feierwütigen gab es schon zu Beginn der Woche einen Anlaufpunkt. Die neu hochgezogene „Metal Town“ vor dem „Wackinger“. Unserer Meinung nach, eine klasse Einrichtung mit einer eigenen Bar, lustigen Sitzgelegenheiten, einer gebirgsähnlichen Moshfläche aus Holzhackschnitzel und natürlich dickem Sound vom DJ.

Ansonsten war der Aufbau des Geländes ziemlich unverändert und die Orientierung fiel uns leicht. Neuerungen gab es natürlich bei den einzelnen Ständen und (leider) auch bei den Kontrollen am Einlass. Trotz jahrelanger Tetrapak-Tradition mussten wir schnell feststellen, dass diese vom Veranstalter nicht mehr geduldet werden. Es waren lediglich die kleinen Trinkbeutel aus dem Metalbag erlaubt. Wobei wir die, nach ein paarmal Auffüllen, nur noch mäßig lecker fanden...

Bei den Ständen hat uns ein Name gleich angezogen: Das Moshpital! Beste Idee überhaupt! Man tut seinem Headbanger-Nacken was Gutes und unterstützt, während der Massage (mit einer Minispende) die Wacken Foundation. Selbst das Warten war sehr gemütlich und alle Patienten sind nach der Kneterei wieder munter und glücklich zum nächsten Konzert gewackelt. Wer dafür ein Beweisbild wollte, konnte dieses professionell anfertigen lassen und später im Netz bewundern.

„Wacken“ ist ja nicht nur das Festivalgelände und der Campground. Das gesamte Dorf (Supermärkte, ein „Baumarkt to go“ an der Hauptstraße, Futter – und Getränkebuden, etc.) war wieder bestens (aus-)gerüstet und so konnte sich jeder zu humanen Preisen festivaltauglich kleiden. An diesem grandiosen Spektakel kann sich so manches Festival eine Scheibe abschneiden und viele Dorffeste sowieso. Hier kommen wir dann auch zur musikalischen Einleitung ;-) Die „Metalchurch“.

Seit einigen Jahren öffnet die Dorfkirche ihre Pforten für die schwarze Masse für ein Akustikkonzert. „Haudegen“ spielte dieses Jahr auf und erwarteten die Fans gleich vor der Kirche. Es wirkte, wie eine kleine Prozession als alle MetallerInnen sich bei einem Gartenschlauch anstellen mussten, um die Stiefel zumindest grob vom Schlamm zu reinigen. Die Band nutze die Gelegenheit für einen netten Plausch und drehte gleich ein Video von der Reinigung der „Ungläubigen“ mit dem heiligen Kirchwasser ;-)

Die Jungs von „Haudegen“ waren sichtlich berührt von ihrem ersten Auftritt in Wacken, was auch zum running gag der Show wurde. Die Freude der Band ging sofort auf die „Kirchgänger“ über und brachte die heiligen Hallen zum Strahlen. Dieses Bild wurde noch metaphorischer als draußen ein Unwetter aufzog, das an diesem Abend noch einige Zelte wegspülen sollte. Der Weltuntergang dehnte die Spielmotivation der Band um einige Minuten aus und sorgte für tanzende Kirchbänke. Das reichte aber leider nicht aus, um dem Platzregen zu entgehen. Zu meinem persönlichen Pech musste ich feststellen, dass mein - vorne in der Kirche abgelegter - Poncho bereits auf der anderen Straßenseite spazieren geführt wurde, als ich an der Kirchpforte ankam… Ponchodieb! Und das in der Kirche…

Nachdem das gute Panzertape unsere Gummistiefel auf dem Rückweg zum Gelände nicht mehr retten konnte, steuerte auch der Festival-Reporter in dieser Nacht ein Paar Stiefel zu einem der zahlreichen Schuhfriedhöfe bei (siehe Foto).

Eine weitere fiese Nacht steckte uns in den Knochen als wir heraus finden wollten, ob auch bei „Materia“ die Wolken wieder lila sind ;-) Dafür sprinteten wir kurz durch den Regen in den „Bullhead City Circus“ und waren sehr erfreut an der Show der polnischen Metalband. Ähnlichkeiten zu dem Namensvetter mit R konnten wir übrigens nicht ausmachen, weder optisch noch musikalisch. Also, Rätsel gelöst und fröhlich den Metal genossen.

Hinsichtlich der „Metalbattle Bands“ hatten wir uns noch den niederländische Gewinner „For I Am King“ heraus gesucht. Gleich zu Beginn beeindruckte uns die Sangeskraft von Alma, die sich ihren Platz auf der Bühne mehr als verdient hat. Die persische Sängerin ließ es sich nicht nehmen, während der Songs den Wrestlingring zu erklimmen und das letzte Lied aus dem Publikum heraus zu performen. „It’s simple…just metal!“ War Programm und brachte das Zelt trotz See ähnlicher Bodenverhältnisse zum Toben.

Das Infield öffnete seine Pforten und „Rob Zombie“ erwartet uns. Matsch und Regen waren jetzt vergessen und jeder hatte seine ganz eigene Strategie entwickelt, um sich die Show reinzuziehen. Ob mit Matsch überzogen oder in Frischhaltefolie gewickelt feierte die Menge Herrn Zombie, der mit Liedern, wie „Enter Sandman“ mehr als nur ein Metallica-Cover ablieferte. Die fette Performanz und grandiose Gitarrensounds machten den Nachmittagsgig zu einer Party, die selbst die Regewürmer erreicht haben muss.

Donnerstagnacht fand einen wunderbaren Ausklang mit „Savatage“ und dem „Trans-Siberian Orchestra“. Tausende Besucher füllten das Infield und genossen mit einem Bierchen in der Hand die Show auf den zwei großen Bühnen. Musikalisch sehr geil umgesetzt, Licht und Ton bombig abgestimmt und den Vollmond bestens dazu gebucht, so dass sich nicht nur bei den Fans Begeisterung und Gänsehaut breit machten. Ob dieses Feeling in der TV-Version transportiert werden kann ist fraglich. Für alle MetallerInnen vor Ort hat sich die Investition der Bands gelohnt!

Für die Frühaufsteher gab es am Freitagmittag ein mitreißendes Konzert von „Sepultura“, die mit gewohnter Power die Black Stage rockten. Im Vergleich zu ihrem letzten Auftritt in Wacken war der Sound um einiges besser abgestimmt, so dass wir dieses Mal auch am Gesang erkannten, welches Lied gespielt wird ;-).

Im Anschluss brauchten wir nur ein paar Meter nach links zu rutschen. Dort erfassten uns die Klänge von „Kvelertak“. Der norwegischen Band war die Bühne schnell zu klein oder einfach zu weit weg vom eigentlichen Geschehen: Dem Publikum. Auf jeden Fall war der Frontmann nicht zu halten. Erlend Hjelvik ließ es sich nicht nehmen, über den Köpfen und Händen der Fans seine Lieder abzureißen. In den kommenden Wochen sind die Jungs dann als Vorband von „Slayer“ zu bewundern. Die Feuerprobe haben sie in Wacken schon mal bestanden J

Bei „Queensryche“ haben viele Besucher Kraft für den Abend getankt. Das Infield wurde an jeder noch so kleinen, nicht völlig abgesoffenen Stelle als Mini-Insel genutzt und so saßen überall dreckige Grüppchen auf Plastiktüten und lauschten der Musik. Diese entspannte Stimmung wurde am späten Nachmittag perfekt ergänzt durch „Opeth“. Das Konzert war ein absoluter Ohrenschmaus. Das muss sich auch die Sonne gedacht haben, die uns von nun an durch das Wochenende begleiten sollte. Ja, es gab wirklich noch Sonne!!! Direkt im Anschluss ging es mit „Black Label Society“ weiter. Auch hier bestes Wetter, beste Stimmung und gute Songauswahl.

Mit Einbruch der Dunkelheit kamen leuchtend weiße Gestalten auf die True Metal Stage: „In Flames“ heute mal „in white“. Gerade im Kontrast zu den matschigen Metalheads ein sehr kurioses Bild. Trotz mieser Bodenverhältnisse (beim Springen sind die Stiefel stecken geblieben und es haben sich nur die Füße 5 cm auf und ab bewegt) schaffte es Anders Fridén die Meute in den Circlepit zu zaubern. Wie das ging, keine Ahnung. Wir klebte,n trotz tanzwütiger Füße, einfach fest ;-)

Gleich nach dem Konzert zog es uns ins Zelt zu „Ill Nino“. Auf dem Weg verloren wir Teile der Gruppe an ein Matschloch, das sich mit Treibsand gepaart haben muss! Die Faszination und die Schadenfreude packte einige „Überlebende“ des Hindernisses. Am Rand bildeten sich Grüppchen, die folgendes Bild bestaunten: Mit Schwung vom Infield zum Bullhead City stürmen, zwei Schritte in das schwarze Loch und schwupp ist alles unterhalb der Knie verschwunden, während der noch sichtbare Körper geradewegs in den Schlamm plumpst :D ... Ill Nino war übrigens auch gut ;) und der Sound im Zelt war bei jedem Konzert einfach der Hammer! Ein Lob an die „Media Staff“!

Am Samstag hieß es früh aus den Federn und um 12 Uhr einen guten Platz im Zelt ergattern. „Breakdown of Sanity“ rockten an diesem Morgen die Headbanger Stage. Auch hier konnte der „Zeltsee“ die Metalheads nicht davon abhalten, Circlepits und Co. zu bilden. Trockener Boden hätte wahrscheinlich eher für Verwirrung gesorgt und von dem grandioses Konzert abgelenkt. Nachdem wir etwas Metalcore getankt hatten, hieß es für uns „Auto retten“. Auch dieses Abenteuer hatte seine persönlichen Höhen und Tiefen und kostete uns leider den musikalischen Nachmittag L

Pünktlich zu „Sabaton“ waren wir wieder auf dem Infield und haben den Sprechchor „noch ein Bier!“ nicht nur als Aufforderung für die Band empfunden. Joakim Brodén legte eine ähnliche Show ab, wie bei seinem letzten WOA Auftritt, was die Massen aber nicht störte, sondern vielmehr zum Mittrinken animierte. Die Stimmung war tob, der Sound laut und klar und das Publikum stand quasi mit auf der Bühne ;-) Wer sich hiervon ein Bild machen möchte, findet das Konzert im Internet in guter Quali J Die Mediathek von Arte und 3 Sat also einfach mal anklicken.

Samstagnacht standen wir vor einem Zeitkonflikt: „Judas Priest“ oder „Suicide Silence“ ?!? Bis hierhin passten die Auftritte in unserer persönlichen Running Order eigentlich ganz gut aneinander (hier punktete die Wacken App mit einer bedienerfreundlichen Übersicht). Während des Konzerts von „Suicide Silence“ überzeugte uns Eddie Hermide, dass die Entscheidung für eine Packung Deathcore genau richtig war. Wer die Kalifornier beim „With Full Force“ gesehen hat, weiß das keine Minute auf der Bühne vergeudet und ohne Luft zu holen gewaltiger Metal durch das Zelt geballert wird. Nicht umsonst belegte die Band Platz 2 bei den besten Performances auf dem „WFF 2015“ und auch dieser Auftritt war der Hammer.

Das Festival endete für uns mit „Cradle of Filth“. Hier war die Konkurrenz nicht ganz so groß, da „Santiano“ auf der Party Stage von keinem, der noch lebendigen Gestalten, wirklich in Betracht gezogen wurde. Das Publikum feierte den kreischenden Schatten, der von dem gesamten Mediateam bestens in Szene gesetzt wurde. Das Licht ließ die roten Augen blitzen, Dampf und Feuer brachen unter Dani Filth hervor, das Kreuz sorgte für den obligatorischen Angriff auf das Christentum und das Corpsepaint sitzt.

Subway To Sally“ machte auf der True Metal Stage dieses Jahr das Licht aus. Ob es an dem Strapazen der letzten Tag oder an der sau kalten Nacht lag, können wir nur schwer sagen, aber es bildete sich nur eine relativ kleine Menschentraube vor der Bühne. Subway To Sally spielten sich dennoch schnell warm und begleiteten unseren Rückweg ins Dorf musikalisch.

Persönliche Bilanz: 3 Paar Schuhe in die Tonne, 1 Zelt weniger zu schleppen, Auto in der Werkstatt …jaja, 13 KG bester Schlamm machen der Lenkung doch zu schaffen und die Rückfahrt zum Event.

Daher wurde es dann für uns und viele Camper etwas teurer als geplant, aber wir haben die Woche nicht bereut. So muss es auch Tausenden gegangen sein, da die 75 000 Tickets für das nächste Jahr bereits am Montag ausverkauft waren.

Unser Fazit: Wacken 2015 „Zeit für Mythen“ … berichtet uns gerne von euren Abenteuern J