Nachbericht Summer Breeze 2008
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- Veröffentlicht: Mittwoch, 01. Juni 2011 18:44
Nach dreijähriger Abstinenz besuchten wir dieses Jahr wieder Summer Breeze vom 14. bis 16. August. Das Gelände bei Dinkelsbühl war dieses Jahr neu für uns. Und es bleibt festzustellen: der Umzug von Abstgmünd hat sich wahrlich gelohnt. Die Campingplätze befinden sich näher am Gelände und der Bereich um die zwei großen Bühnen wirkt weit weinger beengend.
DONNERSTAG
Da wir erst am Donnerstag angereist sind, verpassten wir das komplette Mittwochsprogramm im Party Zelt. Die Anreise selbst verlief problemlos und die Fahrt aufs Gelände gestaltete sich staufrei. In einigen Foren war jedoch zu lesen, dass manche am Mittwoch bis zu 10 Stunden im Stau standen, ehe sie auf den Zeltplatz fahren konnten. Daran kann im nächsten Jahr sicher einiges nachgebessert werden.
Nachdem das Zelt aufgebaut und das erste Bier im Magen untergebracht war, ging es schnurstracks vor die Bühne zu Saltatio Mortis. Direkt nach der Ankunft und dem „Genuss“ eines unglaublich innovativen Songs, machten wir kehrt und besichtigten lieber die zahlreichen Verkaufsstände. Die dröflzigste Mittelalterband in silber spacigen Outfits braucht mittlerweile niemand mehr.
Nach einer weiteren Gerstenkaltschale kehrten wir zu Soilwork zurück, welche die Erwartungen jedoch nicht erfüllen konnten. Dies lag einerseits sicherlich an der komplett ausgetauschten Gitarrenfraktion, welche jetzt viel zu gesichtslos wirkte. Andererseits konnte auch die Setlist nicht überzeugen, da Hits wie „Follow the Hollow“ fehlten. In der neuen Besetzung wird es schwer an alte Erfolge anzuknüpfen.
Negura Bunget stellten die erste Band dar, welche wir im Party Zelt hörten. Allgemein bleibt festzuhalten, dass der Sound in diesem deutlich undifferenzierter als vor den zwei freien Bühnen und außerdem zu laut war. Die Rumänen selbst spielten gut. Der Funke sprang bei mir jedoch nicht über, was vor allem an fehlender Kenntnis des Materials der Folk Black Metaler lag.
Ganz anders sah das bei Arch Enemy aus. Die Songs knallen live unheimlich und es ist eine wahre Freude den Amott Brüdern beim Solieren zuzuschauen. Auch Angela Gossow konnte stimmlich überzeugen. Die Idee der Summer Breeze Crew bei ca. 20° Wasser in die Menge zu spritzen erscheint jedoch mehr als fraglich.
Anschließend ging es von der Main Stage schnell zur Pain Stage, da Behemoth bereits „Slaves Shall Serve“ anstimmten. Nach dem fulminanten Beginn demonstrierten diese mit jedem weiteren Song ihre Live Stärke. Unglaublich präzise und mit glasklarem Sound ausgestattet, legten sie einen souveränen Auftritt hin und bekräftigten ihren späten Platz(vor drei Jahren durften sie schon 16 Uhr ran).
Dass es Paradise Lost nach den zwei vorgehenden Bands schwer haben werden, war vorher klar. Dass sie jedoch so kläglich scheiterten überraschte. Gelangweilter kann man eigene Musik kaum vortragen. Hätten alle Bands ihre Gage entsprechend zurückgelegter Meter auf der Bühne erhalten, wären die Engländer als einzige komplett leer ausgegangen. Primordial, welche auf so ziemlich jedem Festival zu sehen waren, überzeugten auch hier durch ihre emotionalen Lieder und ihren erstklassigen Frontman. Dieser zeigt wie man Lieder glaubhaft vorträgt. Bei mir stellte sich nach einer halben Stunde jedoch Langeweile ein, da sich die Kompositionen zu sehr ähneln. Fans kamen aber voll auf ihre Kosten.
Die Idee Party Zelt gleichzeitig mit einer Hauptbühnen Beschallung anzubieten hat Vorteile wie Nachteile. Blöd ist wenn man sich zwischen interessanten Gruppen wie Ahab und Live Granaten wie Behemoth entscheiden muss. Klasse hingegen ist, dass man während Helloween zu Cephalic Carnage flüchten kann. Problematisch wird es nur wenn auch diese Band enttäuscht. Selbst als Kenner der letzten CD fällt es schwer etwas aus dem Chaos Death Metal herauszuhören, was allerdings auch an dem bescheidenen Sound lag.
Die für uns letzte Band des Abends stellten Marduk dar. Jeder (!) Song wurde von einem Intro bestehend aus Bassgewummer eingeleitet, klasse Idee. Dass zwei Lieder direkt hintereinander gespielt auch böse wirken können, hat den Jungs anscheinend niemand gesagt. Eine gute Idee war hingegen den Song „Accuser/Opposer“ wie auf dem letzten Album zusammen mit Nemetheanga von Primordial vorzutragen. In dieser Konstellation erlebt man das sicher nicht oft. Im Gesamten legten Marduk einen durchschnittlich bis guten Auftritt hin.
FREITAG
Nach einer merkwürdigen und langen Nacht im Partyzelt (was für komische Gestalten bzw. Musik!), begrüßte uns der Morgen mit einem schönen Nieselregen, der bis zum Nachmittag anhalten sollte. Das hielt uns jedoch nicht ab zu Dark Age zur Bühne zu schlendern, was wir auch nicht bereuen sollten, denn Dark Age machten schon ziemlich gut Betrieb und vor der Bühne war es schon ordentlich voll. Auch die neuen Songs von Minus Exitus kamen beim Publikum gut an, aber erst beim heimlichen Hit „Suicide Crew“ taute das Publikum auf und feierte die Band ordentlich ab.
Heidevolk enterten ihren Set mit lautem Getöse und Schlachtrufen, ändert aber nicht viel daran, dass es auch nur eine der drölfzigsten Neuheidencombos ist. Allerdings eine der besseren, nach zwei Songs verlassen wir dennoch erst mal den Kriegsschauplatz.
Midnattsol erklingen dann nur aus der Ferne, was sich von dort aber ganz gut anhört. Vielleicht sollte man sich Bands mit holdem Weibsgesang immer aus sicherer Entfernung anhören, nunja…
3 Inches of Blood vertreiben dann so langsam den Regen mit ihrer schweinecoolen Mischung aus Oldschool Trash- und Heavymetal, G‘schrei und Rob Halford-mäßigen Sreams. Ne witzige Mischung die für kurzweilige Unterhaltung sorgt. Die Schreie des Frontmannes sitzen genauso sicher wie die perfekt agierende Hintermannschaft groovt und soliert. Da können sich Judas Priest und Co. gleich ein paar Scheiben abschneiden. Bravo!
Mittelalter B-Ware bekommen wir dann mit den Aushilfsgauklern von Schelmish geboten. Als ich die Truppe schon mal nur mit Dudelsäcken bewaffnet auf einem Mittelalterfest gesehen habe, fand ich’s ziemlich gut. Ihre eigenen rockigen, feudalen Klänge können aber nicht ansatzweise überzeugen. Viel zu plakative Texte, langweilige Instrumentierung und fader Gesang. Wann schreitet endlich der König ein und reduziert die gefühlten 1.245 Mittelaltercombos, durch Verbannung aus dem Königreich, auf die nötigsten Mitstreiter?!
Wobei man sagen muss, das sich die Menge an Trälleruschi- und Heiden/Mittelalterbands diesmal doch stark in Grenzen hält und dafür wirklich einige Bands geholt wurden, die man nicht an jeder Steckdose spielen hört. Positiv!
Mad Sin sehe ich dann leider nur kurz, die Band hat mit ihrem Rockabilly-Style samt Kontrabass und Leningrad-Cowboys-Gedächtnisfrisuren sicherlich einen Exotenbonus, kommt jedoch oder gerade deswegen erstaunlich gut an. Eine gute Abwechslung zum restlichen Programm.
Danach muss erstmal der schmerzende Kater vom Vortag bekämpft werden, so dass wir dann erst wieder zu Exodus vor der Bühne stehen. Die alten Recken zeigen sich mit viel Spielfreude, vor allem die neuen Kracher kommen live richtig gut an, jedoch ist der Sound dermaßen beschissen, so dass man von den ganzen technischen Finessen des Gitarrenduos Holt/Altus nur wenig mitbekommt. Schade.
As I lay Dying machen dann so richtig Betrieb. Extrem auf den Punkt gespielte Songs, richtig Feuer im Hintern und ne tolle Setlist machen den Auftritt zu einem der ersten großen Highlights dieses Festivaltages. Sieht auch das Publikum so und geht richtig gut ab. Erfreulich auch, das die Band nichts mit trendverseuchtem Metalcore zu tun hat sondern ihr eigenes, kräftig durchs Gebälk böllerndes Süppchen kocht. Diese Band wird sicher noch um einiges größer! Schön auch, das man kaum Metalcore-typische Möchtegern-Bruce Lees findet sondern hauptsächlich friedlich moshende und crowdsurfende Menschen.
End of Green und Six Feet Under bekommen wir dann nur so am Rande mit, beide Bands kommen aber beim Publikum gut an und halten den Stimmungspegel hoch.
Bei Kataklysm bricht dann die Hölle los. Was für ein Massaker! Das Gebretter klingt manchmal fast zu perfekt, ein Schelm wer Böses denkt. Mir aber zu dem Zeitpunkt egal, den die Band macht alles richtig, grandiose Songs und dieser Groove…ahhh, schweinegeil! Man bangt sich in’s Delirium und feiert mit der Band. Fantastischer Gig!
Danach folgen Subway to Sally, wir ziehen uns aber ins Party Zelt zurück und verfolgen gespannt den Auftritt meiner Neuentdeckung des Jahres, Textures. Und die bescheren mir eine Gänsehaut nach der anderen. Perfekt aufeinander abgestimmt zeigt sich die Band von ihrer besten Seite. Anbetungswürde Songs immer im Wechsel zwischen, detailverliebtem, Meshuggah-mäßigen Breaks, wunderschönen Breitbildgitarren/Keyboardharmonien und keifendem oder auch wunderschönen Klargesang. Besser geht’s nicht. Oder doch, die Spielzeit von 45 verging wie im Flug, mehr davon! Und diese irrwitzigen Breaks, Wahnsinn…
Hollenthon machen dann alles richtig, können aber nicht ganz an den grandiosen Gig von Textures anknüpfen. Die Songauswahl ist goldrichtig, so ganz springt der Funke bei vielen aber nicht über. Könnte wohl an dem dominanten Einsatz von Orchester/Chorsamples liegen, denn die Songs an sich sind über jeden Zweifel erhaben. Gebt dieser Band ein Budget für ein richtiges Orchester und sie werden alles wegblasen, versprochen!
SAMSTAG
Die erste Band, die ich Samstag zu sehen bekomme sind Autumn. Ne interessante Mischung aus kitschfreiem Gothic, etwas Paradise Lost (mit Frauengesang) und einiges an Melancholie. Schön um langsam wach zu werden, zumal die Dame wirklich ne tolle Stimme hat, allerdings reichlich unbeholfen auf der großen Bühne steht. Genauso wie ihre Hintermannschaft. Könnte man aber auch als genrebedingte Introvertiertheit deuten. Solider Auftritt.
Danach räumen die Jungspunde von Hackneyed (furchtbarer Name) ganz gut ab. Cannibal Corpse-mäßig wird da gerödelt, teilweise schon wie die großen. Auch das Stageacting überzeugt und der Sänger hat n‘ verdammt mordsmäßiges Organ. Weiter so!
Endstille erzeugen trotz Nachmittagssonne und Sommerfeeling eine eiskalte Stimmung. Klasse wie die Band zu dieser Uhrzeit ihre ganz eigene Schlachtatmosphäre schafft. Die Publikumsmasse und die vielen Bandshirts zeigen das Endstille gerade wohl zu den angesagtesten deutschen Extrem-Metalbands gehören. Die Krachmaten lassen sich auch nicht aus der Ruhe bringen, als ein Plüschbanda auf die Bühne fliegt. Der Sänger beweist Humor und erklärt den pelzigen Freund gleich zu seinem „Papa“ (oder war’s Mama?).
Auf Keep of Kalessin hatte ich mich besonders gefreut, leider machte allen Beteiligten der miese Sound einen Strich durch die Rechnung, denn viel zu hören war von den Kabinettstückchen der Band leider nicht. Die Musiker gaben sich trotzdem alle Mühe das Publikum auf ihre Seite zu ziehen, was ihnen jedoch nicht so recht gelang. Enttäuschender Auftritt, was der Band aber gar nicht zuzuschreiben ist, sondern eher dem Soundmann.
Bei Neaera funktioniert in vieles besser. Der Sound drückt ordentlich und das Publikum frisst der Band aus der Hand. So muss Sänger Benny sich noch mehrere Wall of Death „gefallen lassen“. Dieser sinngemäß: „Das passt jetzt aber nicht zu dem Song, aber wenn ihr unbedingt wollt...“. Die Songs weisen zwar weiterhin einige Parallelen zu HSB auf, aber die Band ist auf einem guten Weg einen eigenen Stil zu finden.
Misery Speaks hatten mit Soundproblemen des Bassmannes zu kämpfen, der aber einfach den Bass zur Seite legte und nur mit Mikro bewaffnet, den hauptamtlichen Sänger unterstützte. Coole Einlage! Auch so strotzte die Band nur so vor Enthusiasmus was die wenigen Leute vor der Bühne auch entsprechend honorierten. Kurzweiliges Entertainment!
Für Abwechslung zwischen den ganzen Genknüppel sorgen die H-Blockx mit ihren Party tauglichen Rocksongs. Bei den Anwesenden kommt‘s ganz gut an.
Sonic Syndicate beweisen auch live, dass sie nicht interessantes zu bieten hat. Vielen gefällt es trotzdem und bei einem Schunkelsong werden sogar Musikkantenstadl-tauglich die Arme in die Luft geregt und seelig von links nach rechts geschwungen. Noch weniger Ecken und Kanten im kompletten Auftreten und die Band kugelt irgendwann von der Bühne.
Wie ehrliche Musik auszusehen hat demonstrieren danach Heaven Shall Burn. Mit eigener Lichtshow ausgestattet, folgt der beste Gig des Wochenendes. HSB rechtfertigen ihren späten Platz im Billing mit klasse Songs sowie zugehörigem Sound. Der Aufforderung mehrere Wall of Deaths hintereinander sowie einen gleichzeitigen Circel-Pit um beide (!) Soundtürme zu machen, folgt die Masse ohne zu zögern. Wenn das so weiter geht, wird diese Combo aus Saalfeld noch ganz groß.
Wegen akutem Getränkemangels hören wir nur den ersten Song von Destruction. Dieser überzeugt und mit der Routine der Band, sollte auch der Rest gepasst haben.
Das Routine alleine nicht doch nicht reicht, beweisen Cradle of Filth. Mieser Sound, schlechter Gesang und ohne hörbare Keyboards noch schlechtere Songs. Da hat auch die Mondfinsternis nicht geholfen, eine dunkle Atmosphäre zu erzeugen.
Spät am Abend im Party Zelt sorgten dann Dark Fortress nochmal für kühle Schwarzmetall-Stimmung. Viel gespielt wurde von Stabwounds, der Sound war gut und die Band in bester Laune. Neu-Sänger Morean (oder so) machte seinen Job auch mehr als gut. Ein runder Auftritt einer gereiften und von Blackmetal-Klischees emanzipierten Band.
Während einer das Festival mit richtigem Black Metal ausklingen lässt, ziehe ich lieber die ruhigen Klänge von Anathema vor. Wundervolle Melodien und großartige Musiker erzeugen bei mir Gänsehaut am ganzen Körper, vor allem die Ballade „A Naturell Desaster“. Beim Schlusssong bestieg der „Mad Butcher“ von Destruction auf die Bühne und sorgte inmitten tieftrauriger Musik für einige Lacher. Ein würdiger und extrem starker Abschluss des Festivals. (sg)